Pauschalreisen – Reisepreisanzahlung und Rücktrittspauschale

Der Bundesgerichtshof hatte sich aktuell in drei Verfahren mit der Wirksamkeit von Klauseln in Reisebedingungen zu Anzahlungen auf den Reisepreis, zu dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Gesamtpreises und zu Rücktrittspauschalen zu befassen:

In dem ersten jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren1 verlangt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. von der beklagten Reiseveranstalterin, die u.a. über das Internet im Rahmen eines die Bündelung von Reiseteil- und Einzelleistungen zu einem Leistungspaket („Dynamic Packaging“) anbietet, es zu unterlassen, beim Abschluss von Pauschalreisen Reisebedingungen zu verwenden, nach denen der Reisende u.a. innerhalb einer Woche nach Erhalt seiner Reisebestätigung eine Anzahlung von 40 % vom Gesamtpreis und den Rest des Reisepreises bis spätestens 45 Tage vor Reiseantritt zu zahlen hat und nach denen bei Flugreisen bei einem Rücktritt des Reisenden gestaffelte Entschädigungspauschalen nach § 651i Abs. 3 BGB zu zahlen sind, die bis 30 Tage vor Reisebeginn 40 % des Reisepreises betragen und die stufenweise auf bis zu 90 % ansteigen, die der Reiseveranstalter bei einem Rücktritt am Tag des Reiseantritts oder bei Nichterscheinen beansprucht.

Das erstinstanzlich mit diesem Rechtsstreit befasste Landgericht Leipzig hat der Reiseveranstalterin die Verwendung der Klauseln untersagt2, das Oberlandesgericht Dresden hat die hiergegen gerichtete Berufung der Reiseveranstalterin zurückgewiesen3: Die von der Reiseveranstalterin bei Vertragsabschluss geforderte Anzahlung von 40 % des Reisepreises benachteilige den Vertragspartner unangemessen im Sinn von § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB, entschieden die sächsischen Gerichte. Auch die Regelung in den AGB der Reiseveranstalterin, nach der der Restbetrag bereits 45 Tage vor Reiseantritt fällig werde, verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 320 BGB. Die Klauseln zu den Stornierungsgebühren bei Flugreisen seien wegen Verstoßes gegen § 651i BGB ebenfalls unwirksam.

Im zweiten jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall4 verlangt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. von der beklagten Reiseveranstalterin, die Verwendung von Reisebedingungen zu unterlassen, nach denen der Reisende innerhalb einer Woche nach Erhalt der Reisebestätigung eine Anzahlung von 25 %, bei Reisen aus „Last-Minute-Programmen“ jedoch von 30% zu leisten hat, die Restzahlung jeweils 40 Tage vor Reiseantritt fällig wird und nach denen bei Flugreisen, „Last-Minuten-Reisen“ und anderen Reisen jeweils unterschiedlich gestaffelte Rücktrittspauschalen zahlbar sein sollen, die bei Flugreisen mit 25 % des Reisepreises beginnen, die bei einem Rücktritt bis 42 Tage vor Reisebeginn verlangt werden, und bei „Last-Minute-Reisen“ mit 40 % bei einem Rücktritt bis zum 30. Tag vor Reisebeginn. Auch hier haben in den Vorinstanzen das Landgericht5 und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main6 haben der Reiseveranstalterin die Verwendung der Klauseln untersagt.

In dritten Verfahren7 verlangt der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände von der beklagten Reiseveranstalterin, die Verwendung von Reisebedingungen zu unterlassen, nach denen bei Vertragsabschluss gegen Aushändigung der Bestätigung die Anzahlung zu zahlen ist, die in der Regel 25% beträgt, bei gesondert gekennzeichneten Top-Angeboten sowie ausgewählten, kurzfristigen bzw. preisreduzierten Specials, Sparreisen und Reisen bestimmter Marken sowie Ticket-Paketen aus Leistungsbeschreibungen mit dem Titel „Musicals & Shows“ aber 40 % des Gesamtpreises betragen soll.

Auch hier hat das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Hannover der Reiseveranstalterin die Verwendung der Klausel untersagt8 und hat das Oberlandesgericht Celle die hiergegen gerichtete Berufung der Reiseveranstalterin zurückgewiesen9: Die von der Reiseveranstalterin unmittelbar bei Vertragsabschluss geforderte Anzahlung von 40 % des Reisepreises. so das OLG Celle, sei weitgehend intransparent, d. h. nicht klar und verständlich und benachteilige den Vertragspartner unangemessen im Sinn von § 307 Abs. 1 und 2 BGB.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt in den beiden ersten Fällen die Revision des Reiseveranstalters insgesamt und im dritten Fall teilweise zurückgewiesen. Er hat auch in der ersten Sache1 die Beklagte als Reiseveranstalterin angesehen, da sie dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis zur Verfügung stellt.

Damit stellte sich in allen drei Fällen die Frage, ob der Reiseveranstalter eine höhere Anzahlung als die bisher anerkannten 20 % des Reisepreises verlangen kann, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Eine von § 320 BGB abweichende Vorleistungspflicht, wie sie die Verpflichtung des Reisenden zur Leistung einer Anzahlung darstellt, kann durch AGB begründet werden, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Für eine Anzahlung, die 20 % des Reisepreises nicht übersteigt, hat der Bundesgerichtshof genügen lassen, dass es sich um eine verhältnismäßig geringfügige Vorleistung des Reisenden handelt, der durch den zwingend zu übergebenden Sicherungsschein gegen die Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert ist. Die Vereinbarung einer höheren Anzahlungsquote in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht ausgeschlossen, setzt aber zumindest voraus, dass der Reiseveranstalter darlegt, dass die von ihm bei Vertragsschluss zu leistenden Aufwendungen bei denjenigen Reisen, für die die höhere Anzahlung verlangt, typischerweise die geforderte Quote erreichen. Dieser Darlegungspflicht haben die beklagten Reiseveranstalter in den beiden ersten Fällen nicht genügt. Im dritten Fall, in dem der Bundesgerichtshof anders als das Oberlandesgericht die Klausel nur teilweise als unklar angesehen hat, ist dies vom Berufungsgericht noch zu prüfen, an das die Sache hierzu zurückverwiesen worden ist.

Was die Fälligkeit des Gesamtpreises betrifft, hat der Bundesgerichtshof eine Zahlungsverpflichtung bis 30 Tage vor Reisebeginn als angemessen erachtet. Die Reiseveranstalter haben nicht dargetan, dass dieser Zeitraum in einer praktisch relevanten Anzahl von Fällen nicht ausreicht, um bei einer ausbleibenden Zahlung die Reise anderweitig verwerten zu können. Auch die Klauseln betreffend die Rücktrittspauschalen sind unwirksam, da die beklagten Reiseveranstalter nicht ausreichend dargelegt haben, dass gewöhnlich Stornierungskosten in der behaupteten Höhe anfallen.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 9. Dezember 2014 – X ZR 85/12 – X ZR 13/14 und X ZR 147/13

  1. BGH – X ZR 85/12
  2. LG Leipzig, Urteil vom 11.11.2011 – 8 O 3545/10
  3. OLG Dresden, Urteil vom 21.06.2012 – 8 U 1900/11
  4. BGH – X ZR 13/14
  5. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 28.03.2013 – 2-24 O 196/12
  6. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 16.01.2014 – 16 U 78/13
  7. BGH – X ZR 147/13
  8. LG Hannover, Urteil vom 30.10.2012 – 18 O 129/12
  9. OLG Celle, Urteil vom 28.11.2013 – 11 U 279/12